Designfaktoren für den stabilen Inselnetzbetrieb in NS-/MS-Netzen
Willenberg, Dominik; Monti, Antonello (Thesis advisor); Raisz, David (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2021, 2022)
Doktorarbeit
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2021
Kurzfassung
Im Fall von Versorgungsunterbrechungen des überlagerten Netzes kann mithilfe der zunehmenden Anzahl dezentraler Erzeugungsanlagen (DEA) eine Weiterversorgung der Verbraucher vor Ort realisiert werden, bis der Netzwiederaufbau über das Übertragungsnetz erfolgt ist. Aktuelle Konzepte fokussieren dominante Netzbildner, z. B. Wasserkraftwerke. Die Verwendung einer einzelnen bestehenden DEA als nicht dominanter Netzbildner ermöglicht eine Übertragbarkeit auf einen größeren Teilbereich der bestehenden Netzinfrastruktur. Dieser Inselnetzbetrieb birgt jedoch Herausforderungen bzgl. der Dynamik im Fall von unvorhergesehenen Leistungsänderungen. Zudem erschwert die meist geringe Verfügbarkeit von detaillierten Netzdaten die Ermittlung geeigneter Bestandsnieder- und -mittelspannungsnetze für den Inselnetzbetrieb. In dieser Arbeit werden Designfaktoren für den stabilen Betrieb von temporären Nieder- und Mittelspannungsinselnetzen definiert, mit deren Hilfe die Eignung bestehender Netzgebiete für den Inselnetzbetrieb auf Basis zugänglicher Daten, z. B. Erzeugungsleistung, Verbrauch, Netzanschlusstechnologie ermittelt werden kann. Hierfür werden zunächst generische Anlagen- und Regelungsmodelle für Bestandsanlagen anhand von Laborversuchen validiert. Die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten und weiterentwickelten Modelle bilden das relevante dynamische Anlagenverhalten bei Leistungsänderungen hinreichend genau ab. Der Ansatz belegt somit die Anwendbarkeit generischer Modelle für eine Analyse und Evaluation der Dynamik des stabilen Inselnetzbetriebs bei Leistungsänderungen. Die Netzfrequenz stellt aufgrund der geringeren Trägheit bei rotierenden Netzbildnern die stabilitätskritische Netzgröße dar. In Kombination mit der Leistungsfrequenzregelung bestehender, netzfolgender DEA kann aufgrund von Regelungsinteraktionen eine Reduktion der maximal zulässigen Leistungsänderung um bis zu 38 % resultieren. Der Einsatz innovativer Konzepte (Synthetic Inertia) bei Windenergieanlagen ermöglicht eine Erhöhung der maximal zulässigen Leistungsänderung um bis zu 47 %. Bei Verwendung netzbildender Batteriewechselrichter wird die Netzfrequenz und der stabile Betrieb in vernachlässigbarem Maße beeinflusst, solange die Leistung netzfolgender Anlagen die des Netzbildners nicht übersteigt. Auf Basis der Studien wird eine analytische Approximation der maximalen Frequenzabweichung rotierender Netzbildner abgeleitet. Die maximale Frequenzabweichung wird maßgeblich durch die Leistungsänderung, die Nennleistung, Trägheitszeitkonstante, sowie eine Maschinen- bzw. Regelungszeitkonstante bestimmt. Als Ergebnis der durchgeführten Studien werden die Nennleistung der netzbildenden und netzfolgenden DEA, die zugehörige Regelung und Antriebstechnologie, sowie die maximale Leistungsänderung als Designfaktoren definiert. Ein Anteil netzfolgender, wechselrichtergekoppelter DEA von 68 % oder höher bei rotierendem Netzbildner kann zu einem instabilen Inselnetzbetrieb führen.
Einrichtungen
- E.ON Energy Research Center [080052]
- Lehrstuhl für Aktive Energieverteilnetze [614010]
- Lehrstuhl für Automation of Complex Power Systems [616310]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2022-00181
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2022-00181